Jeder Mensch kennt Müdigkeit. Müdigkeit ist ein normaler Bestandteil unseres Lebens. Als Reaktion auf Anstrengung oder Schlafmangel ist Müdigkeit ein wichtiger Hinweis darauf, dass wir eine Pause oder Erholung benötigen.
Müdigkeit ist ein subjektives Gefühl. Unterschiedliche Aspekte können dabei im Vordergrund stehen: Schlafbedürfnis, Unlust, Niedergeschlagenheit, Motivationsmangel, Mattigkeit, Schwächegefühl, verminderte körperliche Leistungsfähigkeit, Konzentrations- oder Aufmerksamkeitsstörungen und vieles mehr.
Anhaltende Müdigkeit und chronische Erschöpfung sind häufige Symptome, mit dem sich Patienten und Patientinnen in der Arztpraxis vorstellen. Die möglichen Ursachen für diese Beschwerden sind vielfältig. Ursachen für Müdigkeit sind zum Beispiel:
Auch viele akute körperliche Erkrankungen gehen mit Müdigkeit einher, zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Infektionskrankheiten, Anämie, Schilddrüsenfunktionsstörungen. Selten ist dabei die Müdigkeit das einzige Symptom. Wenn die körperliche Untersuchung, die Krankheitsgeschichte und einige Basisuntersuchungen keine Hinweise auf eine organische Erkrankung bieten, ist es eher unwahrscheinlich, dass eine unerkannte körperliche Erkrankung hinter den Symptomen steckt.
Leiden Sie an anhaltender Müdigkeit oder Erschöpfung, die Sie sich nicht erklären können und die Sie beunruhigt? Dann ist die Hausarztpraxis die erste Anlaufstelle. Ihr Hausarzt oder Ihre Hausärztin verschafft sich einen Eindruck von Ihrer Situation und führt gegebenenfalls erste Untersuchungen durch. Mit Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin können Sie auch besprechen, ob weitere fachärztliche Untersuchungen sinnvoll sind. Dabei kommen je nach Symptomatik oder Befunden zum Beispiel folgende Fachgebiete infrage:
Bei einigen Menschen sind Müdigkeit und Erschöpfung so ausgeprägt und langanhaltend, dass die Beschwerden den Alltag, die Arbeit oder private Aktivitäten stark einschränken. In der Presse und in der medizinischen Fachliteratur taucht in diesem Zusammenhang häufig der Begriff „chronisches Erschöpfungssyndrom“ (Synonym: chronic fatigue syndrome (CFS)) auf. Was das genau ist, wird kontrovers diskutiert, diesbezüglich gibt es sehr unterschiedliche Meinungen.
Der Begriff „chronisches Erschöpfungssyndrom“ (CFS) beschreibt zunächst einmal einen Symptomenkomplex, also das gemeinsame Auftreten bestimmter Beschwerden. Eine einheitliche und allgemein anerkannte Definition gibt es bisher nicht.
Für die Diagnose werden verschiedene Definitionen verwendet, die sich in den Einzelheiten unterscheiden. Nur sehr wenige Menschen, die sich wegen Erschöpfung und Müdigkeit in einer Arztpraxis vorstellen, erfüllen diese Kriterien. Die meisten Definitionen enthalten als Gemeinsamkeit die folgenden Elemente:
Für das chronische Erschöpfungssyndrom sind verschiedene Namen im Umlauf, die jeweils unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund stellen:
Wie dargestellt, wird die Diagnose CFS nur anhand der Beschwerden gestellt. In der körperlichen Untersuchung finden sich manchmal unspezifische Hinweise wie Augenringe, Blässe, körperliche Schwäche, kalte Hände und Füße, druckschmerzhafte Lymphknoten. Laborwerte sind bei der Diagnose CSF im Normbereich, auch bei schwerer Symptomatik. Auffällige Werte deuten eher auf andere Ursachen hin.
Es gibt keine Untersuchung mit Apparaten oder Geräten, die ein CFS „beweisen“ können. Dennoch sind diese Untersuchungen gegebenenfalls erforderlich, um andere Ursachen für die anhaltende Erschöpfung auszuschließen. Die Diagnose CFS ist eine Ausschlussdiagnose – sie kann nur gestellt werden, wenn andere Ursachen ausgeschlossen worden sind. Wie umfassend die Diagnostik ist, muss im Einzelfall entschieden werden.
Wenn aufgrund der vorliegenden Symptome die Diagnose CFS gestellt wird, lässt sich schwer voraussagen, wie sich der Zustand weiterentwickeln wird. Häufig treten die Symptome in Schüben auf, die unterschiedlich schwer sein können. Innerhalb der ersten Jahre tritt in vielen Fällen eine Besserung der Symptomatik ein.
Bisher ist nicht bekannt, ob das chronische Erschöpfungssyndrom ein eigenständiges Krankheitsbild ist oder ob es sich um einen Zustand handelt, der bei verschiedenen Krankheiten auftreten kann. Auch die Entstehungsmechanismen des CFS sind bisher nicht geklärt.
In den medizinisch wissenschaftlichen Leitlinien in Deutschland wird das chronische Erschöpfungssyndrom auch in der Leitlinie „Funktionelle Körperbeschwerden“ aufgeführt. Der Begriff funktionelle Körperbeschwerden fasst ein breites Spektrum an Beschwerdebildern zusammen, die nicht im Rahmen einer klar definierten organischen Erkrankung erklärt werden können. Dies bedeutet nicht, dass Patienten und Patientinnen sich die Symptome „einbilden“ oder „sich anstellen“. Funktionelle Beschwerden bedeutet lediglich, dass Körperfunktionen gestört sind, ohne dass es eine greifbare körperliche Ursache für die Beschwerden gibt. Funktionelle Erkrankungen können schwere Symptome verursachen und das Leben der Betroffenen massiv einschränken. Es ist unbestritten, dass Erschöpfung und Müdigkeit in vielen Fällen psychosomatische Ursachen haben. Unklar ist, ob das CFS eine Erkrankung ist, die davon abgegrenzt werden muss.
Viele Betroffene und auch viele Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gehen davon aus, dass das CFS eine eigenständige organische Erkrankung ist, deren Ursache und Entstehungsmechanismen nur noch nicht ausreichend verstanden sind. In der Forschung gibt es Hinweise auf Auffälligkeiten, zum Beispiel in der Immunantwort und im neuroendokrinen System. Diese Auffälligkeiten sind jedoch nicht in allen Fällen vorhanden und kommen auch nicht nur bei Menschen mit CFS-Symptomen vor. Daher können sie bisher nicht für die Diagnosestellung oder ein genaueres Verständnis der Erkrankung verwendet werden. Da bei den bisher durchgeführten Studien zum CFS unterschiedliche Definitionen verwendet wurden, sind die Ergebnisse oft schwer vergleichbar.
In der deutschen Version der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (International Classification of Disease (ICD)) wird das CFS bei den Krankheiten des Nervensystems unter der Überschrift „sonstige Krankheiten des Gehirns“ aufgeführt. Die ICD beruht auf Vereinbarungen der beteiligten Institutionen, Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und dient vor allem der Statistik und zu Abrechnungszwecken. Diese Einordnung kann daher nicht als „Beweis“ oder wissenschaftlichen Beleg dafür verstanden werden, dass es sich beim CFS um eine körperliche, neurologische Erkrankung handelt. Es gibt auch andere Möglichkeiten, im ICD-10 Erschöpfungszustände zu erfassen, zum Beispiel als Neurasthenie (F48.0) oder als Allgemeinsymptom (Unwohlsein und Ermüdung (R53)). Das ICD spiegelt also lediglich die bestehende Debatte wider.
Möglicherweise wird weitere medizinische Forschung zu neuen Erkenntnissen führen, die eine bessere Einordnung des Beschwerdebildes ermöglichen. Das könnte auch neue Behandlungsmöglichkeiten eröffnen. Aktuell muss die Frage offenbleiben, was genau hinter der Erkrankung steckt. Das Ziel bleibt in jedem Fall das gleiche: Betroffenen die bestmögliche Hilfe zukommen zu lassen.
Auch wenn die Meinungen darüber auseinandergehen, was das CFS ist, − eine Heilung oder besondere für die Anwendung bei CFS zugelassene Medikamente gibt es bisher nicht. Die Behandlung zielt immer darauf ab, Symptome zu lindern und Strategien für den bestmöglichen Umgang mit den Einschränkungen zu finden. Zu den Behandlungsmöglichkeiten zählen:
Bisher gibt es keine für die Anwendung bei CFS zugelassenen Medikamente. Manchmal werden Therapieversuche mit Medikamenten als sogenannter Off-Label-Use versucht. Das heißt, es werden Medikamente eingesetzt, die für andere Erkrankungen zugelassen sind. Hierzu gehören zum Beispiel Wirkstoffe wie Methylphenidat und Modafinil. Verlässliche Daten zu Risiko und Nutzen dieser Medikamente bei CFS gibt es bisher allerdings nicht.
Sie haben den Verdacht, unter einem chronischen Erschöpfungssyndrom zu leiden oder haben diese Diagnose von einem Arzt oder einer Ärztin bekommen?
Die folgenden Tipps sollen Betroffenen helfen, mit ihrem Zustand bestmöglich umzugehen und so viel Unterstützung wie möglich zu bekommen.
Viele Patienten wenden sich an die Unabhängige Patientenberatung auf der Suche nach Spezialisten für das CFS. Es ist schwer, Ärzte und Ärztinnen zu finden, die sich mit diesem Krankheitsbild besonders beschäftigen und auskennen.
Die Erkrankung lässt sich nicht eindeutig einem speziellen Fachgebiet zuordnen. Auch wenn das CFS in der ICD-Klassifikation als neurologische Erkrankung eingeordnet ist, handelt es sich nicht um eine klassische neurologische Erkrankung. Viele niedergelassene Neurologen und Neurologinnen fühlen sich für dieses Krankheitsbild nicht zuständig. Meist stellt der Hausarzt oder die Hausärztin die Diagnose und übernimmt die Betreuung.
Niedergelassene Ärzte und Ärztinnen mit Erfahrung und Interesse für diese Erkrankung können Sie eventuell über Selbsthilfegruppen finden. Eine geregelte Zertifizierung oder Fortbildung für „CFS-Spezialisten“ gibt es allerdings nicht. Behandler können sich selbst als „Spezialisten“ bezeichnen. Dieses bedeutet aber nicht unbedingt, dass sie sich wissenschaftlich basiert mit der Erkrankung beschäftigen.
Die Charité Berlin ist die einzige Universitätsklinik, die eine Spezialsprechstunde für das CFS anbietet. Auf der Internetseite finden Sie Informationen, die Sie ausdrucken und Ihrem behandelnden Arzt oder Ihrer Ärztin vorlegen können. Das Charité Fatigue Centrum finden Sie unter dem Link https://cfc.charite.de/. Die Charité Sprechstunde nimmt nur Patienten und Patientinnen aus der Region Berlin/Brandenburg an. Für Ärzte und Ärztinnen bietet das Centrum eine telefonische Beratung an, auf die Sie Ihren behandelnden Arzt oder Ihre Ärztin hinweisen können.
Krankenhäuser mit hohen Fallzahlen für das CFS können Sie über die Weiße Liste suchen. Die Weiße Liste ist ein werbefreier Wegweiser zur Orientierung im Gesundheitswesen unter Schirmherrschaft der Patientenbeauftragten der Bundesregierung (https://www.weisse-liste.de). Dort ist das CFS unter dem Sammelbegriff „Sonstige Krankheiten des Gehirns“ aufgeführt. In der Trefferliste können Sie bei den jeweiligen Krankenhäusern nachschauen, wie viele Behandlungsfälle dabei auf das CFS entfallen.
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