Übernimmt die Krankenkasse die Kosten für meine Medikamente? Das fragen sich viele Patientinnen und Patienten, wenn sie neue Arzneimittel benötigen. Antworten auf diese Frage sind im Sozialgesetzbuch, fünftes Buch (SGB V) und der Arzneimittel-Richtlinie zu finden. Die Regelungen zielen darauf ab, medizinisch notwendige Therapien zu finanzieren. Unwirtschaftliche Therapien sollen hingegen keine Kassenleistung sein.
Wer vor der Frage steht, ob die gesetzliche Krankenkasse die Kosten für ein bestimmtes Produkt trägt, kann sich zunächst über folgende Punkte Klarheit verschaffen:
Einige Nahrungsergänzungsmittel sind für Laien manchmal kaum von einem Arzneimittel zu unterscheiden. Die Krankenkassen sind jedoch nur zur Kostenübernahme von bestimmten Arzneimitteln gesetzlich verpflichtet. Nahrungsergänzungsmittel oder sonstige Lebensmittel sind hingegen von der Versorgung ausgeschlossen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um herauszufinden, ob ein Produkt ein Arzneimittel ist. Die Verpackung von Arzneimitteln muss beispielsweise mit der Zulassungsnummer (kurz: Zul.-Nr.) gekennzeichnet sein. Häufig ist auf der Verpackung das Wort „Arzneimittel“ selbst zu finden. Bei Unklarheiten kann man sich auch in einer Apotheke darüber informieren, ob es sich um ein Arzneimittel handelt.
Die Krankenkassen übernehmen nicht nur die Kosten für Arzneimittel, sondern beispielsweise auch für bestimmte Medizinprodukte (zum Beispiel Blutdruckmessgeräte). Dieser Text informiert Sie jedoch ausschließlich zur Kostenübernahme von Arzneimitteln.
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für verschreibungspflichtige Arzneimittel – also für Medikamente, die in einer Apotheke nur mit einem ärztlichen Rezept erhältlich sind. Hingegen müssen Versicherte Arzneimittel, die ohne Rezept in einer Apotheke erhältlich sind, in der Regel selbst bezahlen.
Dieser allgemeine Grundsatz ist im fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) geregelt.
Es gelten einige Ausnahmeregelungen, welche unter anderem die Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) festlegt. Der G-BA ist das zentrale Beschlussgremium im Gesundheitswesen.
Gut zu wissen:
Jedes verschreibungspflichtige Arzneimittel ist auch apothekenpflichtig. Aber es gibt apothekenpflichtige Arzneimittel, die rezeptfrei erhältlich und daher nicht verschreibungspflichtig sind.
Rezeptfreie Arzneimittel kaufen viele Patientinnen und Patienten ohne Rezept in einer Apotheke auf eigene Kosten. Dazu gehören beispielsweise Tabletten gegen Kopfschmerzen, Schmerzsalben und Mittel gegen Durchfall oder Verstopfung. Rezeptfreie Medikamente sind in der Regel keine Kassenleistung.
Bei bestimmten Erkrankungen sind die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel jedoch Bestandteil der Standardtherapie.
Verordnen Ärztinnen und Ärzte ein nicht verschreibungspflichtiges Medikament, das als Therapiestandard bei einer Erkrankung gilt, auf einem Kassenrezept, übernehmen die gesetzlichen Krankenversicherungen die Kosten dafür. Anlage 1 der Arzneimittel-Richtlinie legt fest, für welche Arzneimittel und Erkrankungen diese Ausnahmeregelungen gelten. So sind Calcium- und Vitamin-D-haltige Medikamente beispielsweise eine Kassenleistung zur Behandlung von Osteoporose, einer Knochenkrankheit.
Für Folsäure werden die Kosten übernommen bei nachgewiesenem schwerwiegendem Mangel, der durch eine entsprechende Ernährung nicht behoben werden kann. Abführmittel werden unter anderem bei Verstopfungen durch starke Schmerzmittel (Opiate) von den Krankenkassen bezahlt.
Für Kinder bis zum vollendeten zwölften Lebensjahr und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sind rezeptfreie Medikamente eine Kassenleistung, wenn die Ärztin oder der Arzt ein Rezept dafür ausstellt. So erstattet die Krankenkasse beispielsweise die Kosten für Nasenspray bei Schnupfen für Kinder, aber nicht für Erwachsene.
Verschreibungspflichtige Medikamente sind in der Apotheke nur erhältlich, wenn ein Rezept vorgelegt wird. Sie werden von den Krankenkassen bezahlt, solange keine Ausnahmen die Kostenübernahme ausschließen. Verschreibungspflichtige Medikamente, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, verordnen Ärzte und Ärztinnen auf einem sogenannten Privatrezept.
Die Arzneimittel-Richtlinie regelt, dass beispielsweise Medikamente, für die eine günstigere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem Nutzen verfügbar ist, nicht von den Krankenkassen bezahlt werden müssen. Ein Beispiel dafür sind verschreibungspflichtige Arzneimittel gegen Blähungen (sogenannte Carminativa) für Erwachsene und Jugendliche, die nicht auf einem Kassenrezept verordnet werden.
Krankenkassen übernehmen keine Kosten für die medikamentöse Behandlung sogenannter geringfügiger Gesundheitsstörungen („Bagatell-Arzneimittel“). Das gilt auch, wenn die Medikamente verschreibungspflichtig sind. Zu den verschreibungspflichtigen Bagatell-Arzneimitteln gehören Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten sowie Mund- und Rachentherapeutika, Abführmittel und Arzneimittel gegen Reisekrankheit.
Diese verschreibungspflichtigen Medikamente kommen jedoch selten zum Einsatz. Denn für diese Einsatzgebiete gibt es zahlreiche nicht verschreibungspflichtige Alternativen, die in Apotheken als rezeptfreie Medikamente auf eigene Kosten erhältlich sind.
Sogenannte Lifestyle-Medikamente dienen in erster Linie der Erhöhung der Lebensqualität und nicht der medizinisch notwendigen Behandlung von Erkrankungen. Dazu gehören laut dem G-BA beispielsweise Arzneimittel zur Zügelung des Appetits, zur Raucherentwöhnung, zur Förderung des Haarwuchses oder zur Steigerung der sexuellen Potenz. Lifestyle-Medikamente finanzieren Versicherte selbst, sie gehören nicht in das Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenkassen. Anlage 2 der Arzneimittel-Richtlinie führt auf, welche Arzneimittel zu den Lifestyle-Medikamenten gehören.
Normalerweise tragen die Krankenkassen die Kosten verschreibungspflichtiger Medikamente, wenn eine Ärztin oder ein Arzt diese für eine zugelassene Anwendung verschreibt. Für welche Situationen und Patientengruppen ein Medikament zugelassen ist, ergibt sich aus den Anwendungsgebieten, die unter anderem im Beipackzettel aufgeführt sind.
So ist beispielsweise der Blutdrucksenker Verapamil zur Therapie von Bluthochdruck eine Kassenleistung.
Wird ein Medikament außerhalb seines zugelassenen Einsatzgebietes verordnet, handelt es sich um einen sogenannten Off-Label-Use. Ob ein Off-Label-Use eine Kassenleistung ist, entscheidet die Krankenkasse von Fall zu Fall. Daher müssen Ärztinnen und Ärzte die Kostenübernahme für die Therapie im Vorfeld von der Krankenkasse genehmigen lassen.
Der G-BA macht auch hier Ausnahmen: In Anlage 6 der Arzneimittel-Richtlinie aufgeführte Medikamente können auch außerhalb ihrer Zulassung in bestimmten Situationen eine Kassenleistung sein – ohne, dass eine vorherige Genehmigung zur Kostenübernahme abzuwarten ist. So kann beispielsweise das Blutdruckmedikament Verapamil bei Clusterkopfschmerz auf einem Kassenrezept verordnet werden.
Nur wenn ein Medikament auf einem roten Kassenrezept verordnet worden ist, ist die Krankenkasse zur Kostenübernahme verpflichtet. Ob Ärztinnen oder Ärzte ein Medikament verschreiben, hängt in erster Linie davon ab, ob diese es für medizinisch notwendig erachten. Darüber hinaus gibt es für die Verordnung von Arzneimitteln besondere Regeln, um unnötige Therapiekosten zu vermeiden.
Wenn Ärztinnen oder Ärzte ein gewünschtes Medikament nicht auf einem Kassenrezept verordnen, kann es hilfreich sein, sich zunächst nach dem Grund dafür zu erkundigen: In manchen Situationen ist eine Kostenübernahme, wie oben beschrieben, durch das Sozialgesetzbuch beziehungsweise die Arzneimittel-Richtlinie grundsätzlich ausgeschlossen – hier haben Ärztinnen und Ärzte kaum Handlungsspielraum. Wird ein Medikament nicht als medizinisch notwendig eingeschätzt, können Patientinnen und Patienten sich nach einer geeigneten therapeutischen Alternative erkundigen und gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt nach einer Lösung suchen.
Auch das ärztliche Budget spielt manchmal eine Rolle, wenn es um die Verordnung von Arzneimitteln geht. Wichtig zu wissen ist, dass das Budget nicht der Grund dafür sein darf, notwendige Arzneimittel nicht zu verordnen.
Krankenkassen haben die Möglichkeit, ihren Versicherten zusätzliche Leistungen anzubieten. Das kann dazu führen, dass einige Krankenkassen Kosten für bestimmte Medikamente übernehmen, obwohl sie es nicht müssen. Näheres regeln die sogenannten Satzungsleistungen jeder einzelnen Krankenkasse. Diese Sonderleistungen unterscheiden sich von Krankenkasse zu Krankenkasse – eine einheitliche Übersicht dazu gibt es nicht. Wer vor der Frage steht, ob die Kosten für ein bestimmtes Arzneimittel im Rahmen einer Satzungsleistung übernommen werden, kann sich direkt an seine Krankenkasse wenden.
Wenn ein Arzneimittel eine Kassenleistung ist, übernimmt die Krankenkasse den Großteil der Kosten dafür. Versicherte zahlen dann häufig sogenannte Zuzahlungen und gegebenenfalls Mehrkosten.
Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen nicht automatisch jeden Preis für Arzneimittel, sondern oft nur Festbeträge: Diese werden für Gruppen vergleichbarer Arzneimittel festgesetzt. Wird ein Arzneimittel verordnet, dessen Preis über dem Festbetrag liegt, so müssen Patientinnen oder Patienten die Differenz als Mehrkosten zusätzlich zur gesetzlichen Zuzahlung entrichten.
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